Mittwoch, 28. Dezember 2016

Wenn der Bauer selbst siegelt




UNGLEICHGEWICHT:  Heute mischen im Fairen Handel auch große Handelsunternehmen, Börsenmakler und Großplantagen mit. Diese Kräfteverschiebung empfinden viele Kleinbauern als ungerecht. Das neue Produktlabel SPP soll ihnen zu mehr Stärke verhelfen

Faire Verbraucher mögen eine heile Welt: Sie wünschen sich Bananen von zufriedenen Pflückern, T-Shirts von Näherinnen, die unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten und Kleinbauern, die strahlen, weil auf ihrem Päckchen Kaffee ein bunter Aufkleber prangt, der ihnen faire Preise garantiert.  Die Realität sieht anders aus: Erntehelfer sind auf Plantagen oftmals giftigen Chemikalien schutzlos ausgesetzt, Näherinnen in Asien und anderswo werden weiter schamlos ausgebeutet und den Kaffeebauern in Lateinamerika ist das Lachen vergangen. Schuld daran sind nicht nur der Klimawandel und Pilzbefall, sondern auch die veränderten Strukturen im Fairen Handel.  Ging es einst darum, Kleinbauern gerechtere Preise zu zahlen, Zwischenhändler auszuschalten und Zugang zu den Weltmärkten zu ermöglichen, mischen heute im Fairen Handel auch große Handelsunternehmen, Börsenmakler und Großplantagen mit. Also genau die Vertreter ungerechter Anbau- und Handelspraktiken, gegen die der Faire Handel einst angetreten war.  Diese Kräfteverschiebung empfinden viele Fairtrade-Kleinbauern als ungerecht. „Partnerschaft auf Augenhöhe“, ein Leitspruch von Fairtrade, sieht für Sie anders aus. Die Kleinproduzenten sehen sich durch zertifizierte Plantagen ebenso benachteiligt wie durch ungerechte Handelsstrukturen oder die Verwässerung von Fairtrade-Standards zugunster großer Handelsketten. Der Unmut der Kleinbauern fand eine Stimme im lateinamerikanischen Produzentennetzwerk CLAC, stimmberechtigtes Mitglied bei Fairtrade International. 2006 schuf entstand bei der CLAC mit dem SPP-Siegel ein eigenes Gütezeichen, mit dem seit 2011 Produkte aus kleinbäuerlicher Produktion gekennzeichnet werden. Ungewöhnlich. Denn in der Regel stammen die Besitzer von Sozial- und Nachhaltigkeitssiegeln aus dem reichen Teil der Welt. So haben etwa Fairtrade und Naturland Fair ihren Sitz in Deutschland, Ecocert in Frankreich, UTZ Certified und die World Fair Trade Organization in den Niederlanden und die Rainforest Alliance in den USA.

Bislang wenig beachtet

Doch brauchen wir bei der verwirrenden Siegelvielfalt überhaupt ein weiteres Gütezeichen? Dieses schon, denn es gehört den Kleinbauern. Das Siegel gebe ihnen die Möglichkeit selbstbestimmt zu entscheiden, von welchen Fair- Trade-Regeln sie am meisten profitieren, heißt es bei SPP. Konkret bedeutet dies beispielsweise für Kaffee höhere Mindestpreise und eine höhere Bioprämie bei gleichzeitig niedrigeren Zertifizierungskosten als bei Fairtrade. Zertifiziert werden können auch einzelne Kleinbauern im Gegensatz zu Fairtrade, „wo als Voraussetzung immer demokratische Organisationen notwendig sind“, so Claudia Brück von TransFair, dem deutschen Ableger von Fairtrade International. Auch für die Lizenznehmer, also die Unternehmen, die das Logo bei uns auf ihren Verpackungen abdrucken, wird es spürbar billiger. Fallen bei Fairtrade 0,22 Euro pro Kilo an, sind es bei SPP nur rund 7 Cent. Hört sich alles gut an, wäre da nicht der niedrige Bekanntheitsgrad von SPP. Er tendiert hierzulande gegen Null. Das liegt auch an der mangelnden Berichterstattung. Weder auf der Webseite des Forums Fairer Handel (FFH), der nach eigenen Angaben „Stimme des Fairen Handels“, noch auf den Seiten von TransFair oder der GEPA, Deutschlands größter Fairhandelsorganisation, findet sich etwa zu SPP.  Zumindest bei der GEPA hält man ein Siegel von Kleinbauern für Kleinbauern für sinnvoll und unterstützenswert. „Wir möchten Mitglied bei SPP werden und befinden uns gerade im Aufnahmeprozess“, sagt Andrea Fütterer, Leiterin der Abteilung Grundsatz. „Denn nur als Mitglied können wir sinnvoll an der Verbesserung des Systems mitarbeiten“. Noch gäbe es einige Schwächen bei SPP bezüglich des Standards und des Ablaufs der Zertifizierungen, so Fütterer. Dennoch plane man einige Kaffees nach SPP-Kriterien einzukaufen, allerdings ohne das Produktsiegel zu verwenden – seit einigen Jahren gängige Praxis bei der GEPA. Bei TransFair gibt man sich gelassen. SPP sei keine Konkurrenz zum Fairtrade-Siegel, „Die Kriterienentwicklung und das -Management sind nicht transparent nachvollziehbar und unterliegen auch nicht den ISEAL-Richtlinien, sagt Claudia Brück. Auch beim FFH sieht man SPP noch nicht auf einer Stufe mit den anerkannten Monitoring- und Zertifizierungssystemen des Fairen Handels wie etwa WFTO, Fairtrade oder Naturland Fair.

Erste Unternehmen setzen auf SPP

Daher fand das Kleinbauernsiegel auch in der aktuellen Imagebroschüre des FFH „100% Fair – Der Faire Handel in Deutschland“ keine Berücksichtigung. Ebenso wenig wie die Genossenschaft Ethiquable Deutschland, Tochter der gleichnamigen französischen Fairhandels-Importorganisation, die immerhin seit 2009 auf dem deutschen Markt aktiv ist.  Bei Ethiquable setzt man immer öfter auf das SPP-Siegel, das inzwischen auf dem Länderkaffee Ecuador, der Nuss-Nougat-Creme, Kochbananenchips oder auf Kräutertees zu finden ist. Vor allem viele im Ursprungsland weiterverarbeitete Produkte tragen das Kleinproduzenten-Symbol. „Die höhere Wertschöpfung vor Ort ist für SPP ein wichtiges Anliegen – und da treten sie bei uns offene Türen ein“, sagt Klaus Kruse, Vorstand bei Ethiquable Deutschland. „Hoffentlich erkennen auch andere Unternehmen die Bedeutung dieses Siegels und helfen dabei, dessen Bekanntheit zu erhöhen“. Der Weg dorthin ist lang ud steinig. Denn bislang bieten in Deutschland nur Ethiquable, der Düsseldorfer Verein ProGua (nur Kaffee) und demnächst die GEPA (ebenfalls vorerst nur Kaffee) Produkte mit SPP-Siegel an. Weltweit gibt es gerade einmal 15 registrierte Käufer SPP-zertifizierter Produkte in acht Ländern. Zu wenig auf Dauer, um den Durchbruch zu schaffen. Dafür braucht es teure Werbung und viel Verbraucherkommunikation. So etwas wie die 2003 von der Bundesregierung finanzierte, groß angelegte Kampagne „fair feels good“. Sie verhalf damals dem Fairtrade-Siegel in Deutschland zum Durchbruch.
Quelle: taz/Frank Herrmann