Mittwoch, 23. September 2015

Unternehmen: Wie wichtig ist ihnen Nachhaltigkeit wirklich?



„All natural“ – so steht es in einer Anzeigenbeilage. Das signalisiert, dass bei den Bekleidungsstoffen alles natürlich sei. Doch weit gefehlt. Marc O’Polo spielt auf „Natural born Heroes“ an, Menschen, die als Helden geboren sind und ihrer Natur folgen wollen. Zwar hat sich ein Model für Umwelt und Bildung in Afrika engagiert und lässt sich mit Schäfchen und Kätzchen ablichten. Doch kein Wort zur ökosozialen Verträglichkeit der Produkte. Viele Unternehmen machen dieses Jahr offensive Werbekampagnen zur Nachhaltigkeit. H&M plakatierte das Wort ganz groß. Der C&A-Slogan lautet: „Today’s Spirit is Sustainability“. Der Immobiliendienstleister Berlinovo verknüpfte originell die Worte Nachlässigkeit und Nachhaltigkeit, wobei er das „läss“ durchstrich. Discounter Aldi sagt: „Wir übernehmen Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft“.

Die Spreu vom Weizen trennen

Was die Firmen tun, ist kaum ersichtlich. Aber rasch ist erkennbar, ob ihnen das Querschnittsthema wichtig ist. Lidl fragt: „Woran erkennt man gutes Fleisch?“, nennt aber bei den Antworten weder das Tierwohl noch die Antibiotikafreiheit.Die Immobiliengesellschaft Berlinovo sagt: „Unsere Property Teams führen jedes Objekt als eigenständiges Profit-Center und sorgen so für nachhaltige Renditemaximierung.“ Da weißt man schon, woran man ist. Wohl schimmert Nachhaltigkeit durch, wenn der Wohnungsanbieter von „fairen Mieten“ spricht. Ikea fragt: „Was wäre, wenn nachhaltiges Leben ganz einfach ist?“ und preist seine „cleveren Elektrogeräte“ und Küchenzeilen an, mit denen sich „jede Menge Wasser und Energie sparen“ ließen. Keine Hinweise darauf, woher die Hölzern kommen, ob Farben und Lacke umweltverträglich sind und warum die Möbel nicht ein Leben lang halten. Immerhin wird betont, Kunststoff-Verpackungen seien garantiert frei vom Weichmacher Bisphenol A (BPA). Damit übertrifft Ikea die EU-Gesetze außerhalb Frankreichs. Dort der der Weichmacher verboten.

Genug Platz wäre vorhanden

Anders C&A: Die Kette hat seit Jahren eine Bio-Baumwoll-Eigenmarke, prominent platziert in Eingangsnähe. Unübersehbar ein guter Webauftritt mit kritischer Selbsteinschätzung und Zielen. „40 Prozent unserer Produkte sind bereits aus Biobaumwolle.“ 2020 sollen es hundert Prozent sein. Die Berliner Fleischerei Ulrich plakatiert neben ihrem Marktstand: „Damit garantieren wir Ihnen Sicherheit und Nachhaltigkeit“. Was ihre namentlich genannten Zulieferer tun, erklärt eine 14-seitige Broschüre. So einfach ist das. Auf den 16 Seiten von Marc O’Polo, dem Newsletter von Ikea oder der Webseite von Berlinova wäre dafür locker Platz gewesen – wenn es den Unternehmen wirklich wichtig wäre.
Quelle: Handelsblatt Business Briefing, Nachhaltige Investments, 9/2015