Sonntag, 22. Juni 2014

Sklavenarbeit auf Fischbooten in Thailand – auch Aldi und Apetito verwickelt


Haben Sie in letzter Zeit Garnelen gegessen? Wenn diese aus Thailand kamen, dann könnte Ihnen gleich der Appetit vergehen. Journalisten der britischen Zeitung The Guardian haben vor Kurzem aufgedeckt, dass für die Zucht der Tiere Menschen versklavt werden. Nicht auf den Shrimps-Farmen selbst, sondern auf den Schiffen, die Fische fangen, die als Mehl an die Krustentiere verfüttert werden. Vor allem Arbeiter aus Burma und Kambodscha müssen auf diesen modernen Sklavengaleeren bis zu zwanzig Stunden arbeiten, sie werden geschlagen und gefoltert. Manche berichten von Exekutionen an Bord. Wer schlapp macht, bekommt Drogen eingeflößt. Kapitäne verkaufen die Menschen für wenige hundert Euro auf andere Schiffe weiter.

Ist ja alles zum Glück weit weg, oder?

Im Zentrum der Guardian-Recherchen steht das thailändische Unternehmen Charoen Pokphand Foods (CPF), der größte Betreiber von Shrimpsfarmen in Thailand und das größte Lebensmittelunternehmen des Landes. Laut Guardian kaufte es massenhaft Fischmehl von den Sklavenschiffen, um die Shrimps in seinen Aquakulturen zu füttern. CPF lieferte seine Ware auch an mindestens ein deutsches Unternehmen, nämlich Apetito Convenience. Das wiederum packte die Tiere in tiefgekühlte Fertigpasta-Gerichte, die Aldi Nord im Sortiment hat, wie der Discounter bestätigte. Nach Angaben von Apetito seien die CPF-Garnelen 2013 in Thailand nur für eine Sonderaktion bestellt und nur in Produkten für Aldi Nord verwendet worden. Außerdem seien im Jahr 2012 Mitarbeiter von Apetito in Thailand gewesen, um die Farmen und Verarbeitungsstätten in Augenschein zu nehmen. Zu beanstanden war offensichtlich nichts.

Wenig Erfolg versprechender Aktionismus

Aldi will gegenüber Apetito handeln. Das Unternehmen schreibt: “Sollten sich die erhobenen Vorwürfe bestätigen, werden wir umgehend Sanktionen einleiten. Diese können die Auslistung des betreffenden Produkts aus unserem Sortiment, den Wechsel der Rohwarenlieferanten sowie die Beendigung des Geschäftsverhältnisses mit dem direkten Lieferanten umfassen.” Auch CPF selbst will nun reagieren. Die Probleme mit den Fangschiffen waren dort wohl schon seit längerem bekannt. Zur Not werde man ab 2021 “alternative Proteinquellen in der Garnelenzucht nutzen”, sagten Unternehmensvertreter gegenüber dem Guardian. Sowohl Aldi Nord als auch Apetito verweisen darauf, dass die Garnelen von Charoen Pokphand Foods  zertifiziert gewesen seien. Und zwar von GLOBALG.A.P., dem weltweit führenden Standard für die landwirtschaftliche Unternehmensführung, der garantiert, dass die Kunden “ein Qualitätsfischprodukt aus zertifizierter Aquakultur gekauft haben”.

Zertifizierungen versagen auf ganzer Linie

Die Kölner bescheinigen unter anderem auch Garnelen aus Aquafarmen ein gutes Gewissen. An den Arbeitsbedingungen auf den CPF-Fischfarmen selbst hatten die Kölner nach eigener Aussage nichts zu beanstanden. Für den Zertifizierungsprozess verfolgen sie das Produkt von der Herstellung (also der Farm) bis zum Verpackungsstandort. Die Kölner geben aber zu: Die Lieferanten für Fischmehl müssen zwar eine Lizenz zum Fischen und eine staatliche Zulassung haben. “Eine weitere Überprüfung der Zulieferer ist aber nicht Teil des Standards.” Die Mitarbeiter von Apetito wiederum, so schreibt es das Unternehmen in einer Stellungnahme, hatten auf die Überprüfung des Fischmehls bei ihrem Besuch in Thailand im Jahr 2012 verzichtet, weil dieses schließlich von GLOBALG.A.P. zertifiziert worden sei. Um das allerletzte Ende in der Lieferkette für die Shrimpsproduktion kümmerte sich demnach niemand.

Lieferketten immer komplexer

Um Skandale wie den aktuellen zu vermeiden, will Aldi Nord künftig verstärkt auf mit dem Aquaculture Stewardship Council-Siegel zertifizierten Fisch setzen. Das soll garantieren, dass Fischfutter bis zum Ursprung “lückenlos” zurückverfolgt werden kann. Ob das wirklich etwas bringt? Wohl eher nicht. Denn was der aktuelle Fall sehr deutlich zeigt: Die Lieferketten in einer hyperglobalisierten Welt sind so komplex und kleinteilig geworden, dass die Unternehmen mit einer funktionierenden Kontrolle dessen, was sie verkaufen, zunehmend überfordert sind – allen guten Worten, Versprechungen, Siegeln und Zertifizierungen zum Trotz.
Quelle: WiWoGreen