Donnerstag, 2. Januar 2014

Fair zertifizierte Kosmetik – noch immer die große Ausnahme



Wenn morgens der erste Kaffee in der Tasse dampft, ist die Sache klar: Das Fairtrade-Siegel auf der Verpackung belegt, dass der Genuss nicht auf Kosten anderer geht. Wie zum Beweis lacht hinten auf der Kaffeetüte eine Frau dem Betrachter entgegen. Sie trägt bunte Kleidung und arbeitet offenbar irgendwo in den Hochlandplantagen von Mexiko, Peru oder Bolivien. Die Fairtrade-Standards garantieren ihr ein sicheres Einkommen und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Wenn doch alles so einfach wäre wie beim Kaffee. Oder beim Tee. Oder der Schokolade. Selbst bei Fußbällen ist die Sache besser durchschaubar als bei Kosmetik. Tatsächlich ist neben den genannten Lebensmitteln eine ganze Fülle von Produkten in Deutschland „fair“ zertifiziert. Von Baumwolle bis Zucker reicht die Palette, sogar Sportbälle finden sich darunter - jedoch keine einzige Gesichtscreme, auch kein Duschgel oder Shampoo. Im (Natur-)Kosmetikmarkt spielt der faire Handel bislang kaum eine Rolle. Und das, obwohl die großen Hersteller wie Weleda oder Wala eigene Projekte nach fairen Prinzipien in den Anbauländern unterstützen und initiieren. Warum aber gibt es kein faires Label auf der Kosmetik? Dieser Frage ist die Zeitschrift Ökotest in nachfolgendem Bericht auf den Grund gegangen.

Andere Länder, andere Standards

Trotz gemeinsamer internationaler Produktstandards haben die nationalen Initiativen individuelle Handlungsspielräume. Und die nutzen sie auch. Transfair etwa hat sich bisher dagegen entschieden, in Deutschland das Fairtrade-Siegel für Kosmetik zu vergeben. Als Grund nennt Pressesprecherin Maren Richter, "dass es bis vor Kurzem keine internationale Einigung über das Vorgehen und die Richtlinien zu Fairtrade-Kosmetikartikeln gab. Vereinzelte Pilotprojekte von Siegelinitiativen anderer Ländern waren für Transfair bisher nicht überzeugend." Den Deutschen ist ganz offenbar die gängige Fairtrade-Regel zu lasch, die beispielsweise in Frankreich und Großbritannien Anwendung findet. Dort darf sich Kosmetik dann mit dem begehrten Logo schmücken, wenn zwei bzw. fünf Prozent der Inhaltstoffe Fairtrade-zertifiziert sind - die Prozentzahl hängt davon ab, ob die Produkte auf der Haut bleiben oder wieder abgewaschen werden. Solche zertifizierten Produkte gibt es etwa von Alter Eco, Noèhm, Urtekram, Boots, Lush oder Bubble & Balm, teilweise sind sie auch in Deutschland erhältlich. Derzeit, so kündigt es die FLO an, wird an einem neuen Konzept für Fairtrade-Kosmetikartikel gearbeitet. Stellt sich die Frage: Wartet in Deutschland jemand darauf? In den Reihen der hiesigen Naturkosmetikhersteller ist es erstaunlich ruhig. Niemand scheint das Fairtrade-Siegel zu vermissen. Bio-Zertifizierung sei wichtig, heißt es in Gesprächen. Das Natrue-Siegel wird immer wieder lobend erwähnt. Aber Fairtrade? Gerhard Benz, seit vielen Jahren Produktionsleiter bei Primavera, bringt es so auf den Punkt: "Wir haben schon lange fair gehandelt, bevor die mit ihrem Label kamen." 

Regionalität wichtiger als Fairtradezertifikat

Doch es gibt noch andere Probleme bezüglich einer fair zertifizierten Kosmetik: Die Zertifizierung bezieht sich auf Produkte aus Drittweltländern. Regional eingekaufte Rohstoffe lassen sich aber nicht fair labeln - auch wenn die Produktionsbedingungen im Allgäu oder an der Nordsee sicher als sozial verträglich bezeichnet werden können. Auch Rohstoffe aus der Europäischen Union werden nicht Fairtrade klassifiziert. Ralf Kunert, Leiter des Rohstoffeinkaufs bei Wala, nennt ein Beispiel: "Wir beziehen unser Olivenöl aus Spanien und nicht aus Tunesien - mir ist Regionalität lieber als ein Fairtradezertifikat." Und Anja Brockmann, Produktmanagerin bei Santaverde, spinnt den Gedankengang weiter: "Will ich, dass der Alkohol, den wir zur Konservierung verwenden, aus Tausenden Kilometern Entfernung kommt, nur damit er als fair zertifiziert werden kann? Obwohl wir den gleichen Alkohol aus Getreide der Region herstellen könnten?" Fairtrade, so zeigt sich, muss nicht immer die bessere Alternative sein.

Komplexität von Kosmetikprodukten erschwert Zertifizierung

Alkohol, Olivenöl, Heilkräuter: Viel war bisher von einzelnen Rohstoffen die Rede. Wenig jedoch vom ganzen Produkt. Und genau hier liegt das letzte, vielleicht größte Problem der fairen Kosmetik: Es stecken zu viele Bestandteile darin. Zehn bis 20 sind es in einer Rezeptur, Hunderte von Inhaltsstoffen sind es in einer Produktpalette. Dem gegenüber steht die Bandbreite der bisher zertifizierten Rohstoffe. Und die ist klein. Ecocert, einer der größten Bio-Zertifizierer weltweit, listet in seiner Datenbank gerade mal 53 Organisationen weltweit, die faire Rohstoffe anbauen oder vertreiben. Die meisten von ihnen handeln mit Arganöl, Sheabutter oder ätherischen Ölen. Einige Male findet man in der Datenliste noch Sesamöl, Hibiskus, Vanille, Rosen- und Kokosnussprodukte. Das aber war es im Großen und Ganzen. Guylaine Le Loarer, Leiterin Forschung und Entwicklung bei Annemarie Börlind, fasst es so zusammen: "Mit dem derzeitigen Angebot an Rohstoffen könnte nur ein Öl, vielleicht ein Körperöl, das Fairtrade-Label tragen. Alles andere ist technisch nicht machbar."

Fazit:
Wer wissen will, wie fair seine Naturkosmetik ist, dem werden Siegel nur begrenzt weiterhelfen. Eher schon ein Blick auf die Homepages der Unternehmen - oder das Wissen, dass die etablierten Hersteller von Naturkosmetik sich seit Jahren für faire Rohstoffe und gute Kontakte in die Anbauländer engagieren.