Mittwoch, 1. Oktober 2014

Mengenausgleich bei Fairtrade: Nicht immer ist fair drin, wo fair drauf steht






Wer ein fair gehandeltes Produkt kauft, geht davon aus, dass was auf der Verpackung steht, auch in der Ware enthalten ist. Doch das ist nicht immer der Fall. Seit 2011 erlaubt die Siegelorganisation Fairtrade International den sogenannten Mengenausgleich für Kaffee, Tee, Kakao und Orangensaft. Danach muss ein Hersteller lediglich nachweisen, dass er einen bestimmten Prozentsatz fair produzierter Ware einkauft und denselben Prozentsatz wieder verkauft. Es können sich in der Weiterverarbeitung also faire und nicht faire Bestandteile vermischen und es kann der Fall eintreten, dass ein Fairtrade-zertifizierten Produkt physisch keine fairen Bestandteile enthält, obwohl das Siegel auf der Packung für das Gegenteil steht.

Technische Gründe verhindern Rückverfolgbarkeit

Was eigentlich als Ausnahme gedacht war, scheint nun in Deutschland immer mehr zur Regel zu werden. Fairtrade begründet den Mengenausgleich als „entwicklungspolitische Notwendigkeit“, die es einigen Kleinbauernorganisationen erst ermöglicht, am Fairtrade-System teilzunehmen. Denn meistens liefern diese Bauern den Rohstoff, lassen ihn aber an anderer Stelle weiterverarbeiten. Liefern kleinere Produzenten-Organisationen nicht genug Rohstoffe für eine Fabrikations-Charge, erfolgt zwangsläufig eine Mischung mit Rohstoffen, die nicht von Fairtrade-Erzeugern stammen. Manche Firmen weisen darauf hin, dass sie Fairtrade-Produkte aus technischen Gründen nicht separieren können. Wenn auch für diese Fälle physische Rückverfolgbarkeit verlangt würde, wäre es möglich, dass die Bauern und Arbeiter ihre Produkte nicht mehr unter Fairtrade-Bedingungen verkaufen könnten. FLO-Cert stellt laut Fairtrade International durch detaillierte Dokumentationen und Kontrollen sicher, dass die von einem internationalen Konzern eingekaufte Menge von Fairtrade-zertifizierter Rohware der in den Produkten verarbeiteten Menge von Fairtrade-zertifizierter Rohware entspricht. Unabhängig davon wird der Preis für die Fairtrade-zertifizierte Rohware nach den üblichen Fairtrade-Kriterien an die Genossenschaft ausbezahlt. 

Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Reicht das als Begründung?  Die Mitglieder des Forums Fairer Handel – der Weltladen-Dachverband, BanaFair, DWP, EL PUENTE, GEPA, GLOBO und Naturland – sehen Mengenausgleich im Fairen Handel äußerst kritisch. In einem Positionspapier legen sie ihren Standpunkt dar: Was auf der Verpackung steht, sollte auch in der Verpackung drin sein. Das ist für Bioware unabdingbar und das erwarten Kunden auch von fair gehandelter Ware. Die Mitglieder des Forums finden es daher sehr bedauerlich und für die Glaubwürdigkeit des Fairen Handels gefährlich, dass diese berechtigte Kundenerwartung im Fairtrade-System nicht mehr erfüllt wird. Einen klaren Standpunkt bezieht die GEPA, Deutschlands größte Fairhandels-Importorganisation: „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dass der Kunde nach wie vor das erhält, was direkt von unseren kleinbäuerlichen Partnern kommt", erklärt Gepa-Geschäftsführer Thomas Speck in einem Gespräch mit Bio-Markt.Info. Über kurz oder lang, so die Befürchtung, könne es zu einem erheblichen Verlust an Glaubwürdigkeit kommen, wenn beim Verbraucher ankommt, dass nicht das in der Packung enthalten ist, was auf dem Etikett steht. "Irgendwann wird diese tickende Zeitbombe hochgehen", vermutet Speck, das ganze System des Fairen Handels könne grundsätzlich Schaden nehmen. Mengenausgleich kann nur im Ausnahmefall vertretbar sein, wenn beispielsweise die Partner im Süden noch nicht über die nötige Infrastruktur für eigene Weiterverarbeitung verfügen. Ganz konsequent ist man aber auch bei der GEPA nicht. Obwohl der Fairtrade-Mengenausgleich abgelehnt wird, lässt man sich weiterhin von FLO-Cert, der Kontrollstelle der Fairtrade-Produkte zertifizieren – ersetzt aber auf den Packungen das blau-grüne Fairtrade-Logo zunehmend durch das GEPA-Plus-Zeichen.